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Ein Touristenreisebuch von 1905

Die „Hüttels“, wie sie sich selber nennen, ein Ehepaar aus Dresden, begeben sich im Juli 1905 auf eine große Tour durch Tirol, die sie von Innsbruck über das Stubaital und das Ötztal ins Ortlergebiet, nach Meran, Bozen und zurück nach Innsbruck führt. Die Frau führt genauestens Tagebuch über jeden Aufstieg und jeden Abstieg, jede Rast und jede Einkehr. So gelangen sie am dritten Tage von Neustift aus über das Bildstöckljoch „ins Windacher Tal“ und „nach 7 ½ Stunden tüchtigem Laufen“ nach Sölden:

„Wir waren nun im schönen Ötztal, Sölden machte einen recht netten Eindruck auf uns, das kleine Kirchel mit den wenigen Häusern an der rauschenden Ache gelegen, es sah aus wie aus der Spielzeugschachtel zwischen diese hohen Berge gesetzt. Im Gasthaus zur Traube fanden wir ein sehr gutes Unterkommen. Auch das Essen, Saftbraten, war vorzüglich. Wir ließen’s uns dort den Nachmittag sehr wohl sein.“

Da am selben Abend der Fürsbischof von Brixen in Sölden eintrifft, gibt es für die anwesenden Gäste viel zu schauen und zu bestaunen:

„Interessant war der ganze Empfang, die vielen Kirchenfähnchen und Fahnen, der eigenartige Kopfputz der Frauen, bestehend aus Glasperlenkränzchen, die ganze freudie Erwartung der Bewohner, sie steckte uns nachgerade an, bloß daß bei uns alles Neugierde war. Unter Böllerschüssen und Glockengeläute zog denn auch richtig der Bischof, umgeben von den Geistlichen der anderen Nester, ein in Sölden und direkt in die Kirche.
Als es dunkelte, ging der Rummel erst richtig los, das Geschieße roch, aber schön waren die Höhenfeuer, auf hohen Bergen loderten Brände, diese leuchtenden Punkte überall, das war schön, selbst die Anfangsbuchstaben J.A. von des Bischofs Namen leuchteten von einer hohen Felswand herab.“

Am nächsten Tag setzen die Hüttels schon in aller Früh ihre Reise fort und zwar über Zwieselstein und Heilig Kreuz nach Vent.

„In Winterstall, ½ Stunde nach Heilig Kreuz, gabs recht bettlige Kinder, die Herren gaben ihnen die Kreuzer  gerne, denn spaßig sah doch die kleine schmutzige Bande aus und wie sie dann eifrig das erhaltene Geld zählten. In Vent blieben wir in Tappeiners Gasthaus (heute: Hotel Post), waren dort auch nicht übel aufgehoben.“

Von dort geht es am nächsten Tag über den Hochjochferner zur „Schönen Aussicht“ und weiter hinunter nach Kurzras.

Da das Ehepaar Hüttel keinen Fotoapparat dabei hat, kauft es laufend Ansichtskarten, so von Sölden, Zwieselstein, Heilig Kreuz, Vent, Rofen, Hochjoch-Hospiz usw., die dann ins Reisebuch eingeklebt werden. Nur ein Herr Simon aus Frankfurt, der zufällig zusammen mit den „Hüttels“ vom Stubai ins Ötztal unterwegs ist, fotografiert die beiden mit ihrem Stubaier Bergführer am Bildstöckljoch und sendet ihnen später diese Aufnahme zu.

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